Kaiserwetter | ||
Nachdem also zwei Mädels (keine Namen) eine kurze Nacht hatten und dankend auf das Frühstück verzichteten, ist Bärbel bereits bei Sonnenaufgang losgezogen. Bewaffnet mit einer chinesischen Wegbeschreibung für die Taxifahrerin, Handy für Notfälle und Reisepass, für alle anderen Fälle kam sie bis zum Platz des Himmlischen Friedens. Bärbels Pekingziel ging jetzt in Erfüllung. Nachdem Mao sie bereits im Geschichtsunterricht der DDR verfolgt hatte, konnte sie sich nun revanchieren und hat ihn ihrerseits bis zum Mausoleum verfolgt. Zusammen mit rund 1255 Chinesen musste sie sich in Reih und Glied aufstellen, sämtliche Vorsichtsmaßnahmen über sich ergehen lassen (Pass vorlegen, Handtasche röntgen, Handtasche im Schließfach verstauen, Bodycheck) und dann drängeln, drücken, durchmogeln... um erstaunt festzustellen, dass Chairman Mao ein kleiner Mann war – wer hätte das gedacht. Nach
einem langen
Fußmarsch, Taxen dürfen am Platz des Himmlischen
Friedens
nicht halten, kam
Bärbel erschöpft aber freudestrahlend ins Hotel
zurück. Vielleicht
lag es am
kalten Wind, vielleicht auch an der ungenügenden
Beschilderung. Am
Vogelnest
war nicht viel los, so konnten wir den Prachtbau der schweizer
Architekten
Herzog & de Meuron bewundern. Wer hat´s erfunden? Ja,
die
Schweizer, die
auch die Allianz Arena in München entworfen haben (aber da
erzähle ich euch sicher nichts Neues, oder). Allen
Sportinteressierten
können wir nur empfehlen, möglichst bald nach Peking
zu
reisen, wir sind uns
nämlich nicht sicher, wie lange das Nationalstadion noch
sehenswert ist. Die
Fackelhalterung des Olympischen Feuers fehlt schon und die
Anzeigetafeln wurden
zum Wäschetrocknen zweckentfremdet. Trotz allem ist das
Vogelnest
natürlich
sehr beeindruckend und die herbstlichen Ginkoblätter zaubern
goldene
Lichteffekte. Offensichtlich ist die nächtliche Beleuchtung in
Peking nicht mit
Suzhou und Shanghai zu vergleichen, wie sonst könnten hier
direkt
vor dem
Vogelnest echte Vögel nisten? Der strahlend blaue Himmel hat auch das Nationale Schwimmzentrum, den Watercube, ins rechte Licht gesetzt. Um Eintrittskarten zur Schwimmhalle zu bekommen, mussten wir das gesamte Gebäude großräumig umrunden, bei einer Besucherzahl von 1000 Leuten in der Stunde hätte das auch Sinn gemacht, bei einer Besucherzahl von 10 pro Stunde eher nicht. Aber wir wollen ja flexibel bleiben, oder? Die
luftgefüllten
Waben sind schon bei Tag betrachtet grandios, bei Nacht, mit
Innenbeleuchtung
ist das sicher umwerfend. Leider ist die Beuleuchtung nur am Wochenende
an.
TIC. Immerhin sind die Luftblasen einem chinesischen Designer zu
verdanken. Das
Gebäude selbst haben australische Architekten entworfen. Was
allerdings beim Design der Sitze im Cube schiefgelaufen ist, wurde noch
nicht geklärt. Über
den
lamaistischen Yonghegong Tempel haben wir hier
schon mal berichtet. Inzwischen ist es dort auch merklich Herbst
geworden. Aber
warum sich die Mädels gleich so warm anziehen mussten, bleibt
unklar. Unser
Hotel (Travelerinn
Huaqiao Beijing) liegt in Pekings Altstadt, umgeben von engen Hutongs. Beim
Spaziergang durch diese Gassen
war es uns, als hätten wir einen Zeitsprung
rückwärts
gemacht. Hier
wohnen die
Leute auf engstem Raum zusammen, die Ein-Raum-Wohnungen sind alle zum
Weg hin
offen, das Leben spielt sich auf der Straße ab. Hier wird
Gemüse getrocknet,
gekocht, gespielt und geratscht. Es gibt kleine Garküchen,
Frisöre, Läden für
den täglichen Bedarf und öffentliche Toiletten, die
die
Bewohner gemeinsam
nutzen. Vor
manchen Häusern stehen Autos und die Bewohner, die per Fahrrad
oder
Mofa von der Arbeit nach Hause kommen tragen Anzug oder
Business-Kostüm. Hier
wohnen also nicht unbedingt die sozial Benachteiligten. Durch
diesen Einblick konnten
wir manches an der chinesischen Lebensweise besser verstehen. Es gibt
keine
Intimsphäre, Interesse am Leben der Anderen hat nichts mit
Neugierde zu tun und
saubere Klos werden von uns Westlern total überbewertet. Größer
kann der
Unterschied nicht sein. Raus aus den Hutongs, rein in den nagelneuen
Pekinger
Südbahnhof. In Deutschland könnte sich so mancher
Flughafen
hier noch eine
Scheibe abschneiden. Der Wartebereich gleicht einem
gemütlichen
Kaffeehaus,
alles blitzt und blinkt und beim Bäcker gibt´s die
leckersten Törtchen von ganz
Peking. Von
hier aus fuhren wir mit dem Schnellzug in nur 8 Stunden nach
Nanjing. Dort mussten wir raus, wir konnten ja nur Tickets bis Nanjing
aufteiben. Der Zug ist allerdings über Suzhou bis nach
Shanghai
weiter
gefahren. Das hätten wir mal früher wissen sollen.
TIC. |
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