Donnerstag
morgen, Regen und Regina ist noch nicht wieder fit. Deja vu. Nach
nochmaligen Überlegungen hat sie beschlossen, den Vormittag im
Hotel zu verbringen. Zum Glück haben wir den Nachmittag zur
freien Verfügung geplant. Lili hat Stephan um 9:30 Uhr am Hotel
abgeholt zu einem Spaziergang an den Teich des Schwarzen Drachen. Der
Park ist bekannt für seinen tollen Ausblick auf das
Jade-Drachen-Schnee-Gebirge.
Am Eingang zum Park gabs die erste Überraschung: Die typischen
Löwen haben keine Geschlechterunterscheidung. Normalerweise ist
der rechte Löwe das Männchen mit dem Erdball unter der
rechten Pranke und der linke Löwe ist das Weibchen mit einem Baby
unter der Pranke. Hier ist nichts, aber auch gar nichts unter
irgendwelchen Pranken zu finden. Naxi sind eben keine Han Chinesen.
Im Park könnte man meinen, man ist in einem Garten in Suzhou.
Alles ist wunderschön angelegt und alles hat bestimmt irgendeine
Bedeutung.
Endlich dann der grandiose Ausblick auf den Schneeberg. Zumindest
sollte er dort sein, wir halten es immer noch für ein
Gerücht. Um das Fotomotiv abzustimmen, haben findige Menschen
einen "Adler" mitgebracht, der als Fotomotiv für den Hintergrund
herhalten soll. Aber erstens gab es keinen Hintergrund und zweitens
bezweifeln wir, dass es sich um einen Adler handelt. Kennt sich hier
irgendjemand aus und kann uns aushelfen mit der Vogelbestimmung?
Vielleicht jemand aus Waldstetten?
Wie nicht anders zu erwarten in einem chinesischen Park - Han
chinesisch oder Naxi chinesisch hin oder her - gibt es natürlich
auch einen Tempel. Die Treppengeländer sind hier vollgehängt
mit Vorhängeschlössern, auf denen die Wünsche der
Menschen eingraviert oder drauf geschrieben sind. Je länger das
Schloss beim Tempel bleibt, desto besser die Chance, dass der Wunsch in
Erfüllung geht. If you believe, what the chinese believes.
An der Brücke über den Schwarzen Drachen Teich hat sich das
Wetter ganz kurz erbarmt und eine Vorahnung gegeben, wie es sein
könnte, wenn man Berge sehen würde.
Dass wir nicht alleine Unterwegs waren ist klar, auffällig waren
die vielen Kinder. Bei den Minderheiten gilt die Ein-Kind Politik nicht
und je weiter Peking weg ist, desto günstiger werden die
Strafzahlungen für zusätzliche Kinder, wenn man keiner
Minderheit angehört. Und Peking ist wirklich weit weg.
Im Park ist auch ein "Hybrid Haus", das insgesamt 4 Stile vereint: Die
Grundform von den Han Chinesen, der Dachgipfel aus Tibet, die
Schwarz-Weiss Malereien von den Naxi und die Farbenpracht von den Bai.
Ich denke, das habt ihr alles gleich erkannt. Und, wie es sich im Naxi
Land gehört, ist auch ein echter Dongba Medizinmann da, der einem
Geschichten erzählt und Kalligraphien erstellt, wenn man bezahlt.
Das Wasser der Flüsse und Seen kommt direkt aus den (vermutlich
nicht vorhandenen) Schneebergen und ist glasklar. Mitten im Park ist
auch noch ein Quell-Teich mit dem Namen "Perlenteich". Der kommt von
den aufsteigenden Sauerstoffbläschen, die immer dann erscheinen,
wenn man am Ufer aufstampft oder laut schreit. Natürlich versuchen
die Chinesen als erstes Schreien, das macht mehr Lärm.
Am Ende des Parks befindet sich das Naxi / Dongba Kultur Museum. Hier
ist die gesamte Kultur anschaulich dargestellt. Lili hat sich gleich
darum gekümmert, einen Museumsführer extra für Stephan
zu organisieren. Sie war der Meinung, dass nur Naxi People auch die
Kultur erklären können. Wow, sowas haben wir in China noch
nicht erlebt. Super!
So,jetzt gibt es erst mal ein wenig Kulturgeschichte der Naxi: In der
Zeit als die Erde und der Himmel erschaffen wurden, haben sich die neun
Brüder und die sieben Schwestern der Naxi mit den Weisen und den
Magiern zusammengesetzt und beschlossen, das
Jade-Drachen-Schnee-Gebirge zu bauen um die Erde zu beschützen und
dem Himmel nahe zu sein. Daraufhin haben die Naxi gleich eingesehen,
dass der Mensch und die Natur Brüder sind und dass die Bai, die
Tibeter und die Naxi die selben Vorfahren haben. Dies ist der Grund
dafür,
dass die Natur geachtet und beschützt werden muss und es nie
Kriege zwischen diesen Stämmen gab. Seither sind die Neun und
die Sieben auch die Glückszahlen der Naxi.
Im Museum gab es eine Fotografie, wie Lijiang angeblich aussieht,
sollte die
Sonne scheinen. Wie gesagt, alles nur Gerüchte.
Auf dem Modell der Landschaft um Lijiang kann man sehen, dass in den
drei Tälern links jeweils ein Fluss fliesst. Jeder der Flüsse
ist recht bekannt: Der Yangtze, der durch China fliesst, der Mekong,
der durch Vietnam fliesst und der Saluen der durch Birma fliesst. Das
Fotografieren im Museum ist nicht gerne gesehen, aber auch nicht
verboten. Es gibt massenhaft Ausstellungsstücke, wie zum Beispiel
die Wahrsager Scheibe, mit der die Dongba Medizinmänner die
Zukunft vorhersagen. Ausserdem sind die Medizinmänner
für Kunst zuständig. Als Beispiel hier eine Schnitzerei aus
einer Wurzel mit 100 Vögeln.
Nachdem Stephan noch zwei Bücher im Museumsladen gekauft hat,
gings durch den Park wieder zurück in die Altstadt von Lijiang.
In der Altstadt haben wir mal wieder die Kinder bei ihrer
Lieblingsbeschäftigung beobachtet: Spielen und Essen.
Anschliessend gings den Altstadthügel hinauf zur Wangolu Pagode.
Irgendwie besteht dieser Uraub nur aus Treppensteigen.
Aber auch diese 600 Stufen hat Stephan bezwungen und ist irgendwann an
der Pagode angekommen. Diese ist nach wie vor eine Art Tempel mit
Räucherstäbchen, Altar und Aussichtsplattform im obersten
Stockwerk.
Der Ausblick über die 1 Millionen Einwohner Stadt ist wirklich
super, da sich die Stadt rund um den Hügel angesiedelt hat. Wenn
nun das Wetter noch....
Der Berg mit der dreieckigen Spitze heisst Pinsel Berg, da er die Form
eines Kalligrafie Pinsels hat. Und wie man sehen kann war unsere
Führerin immer gut beschäftigt. Wenn nicht mit Fragen
beantworten, dann mit telefonieren.
Am Fusse der Pagode sind einige Rosen gewachsen. Die sind in Yunnan
seltsamerweise recht selten. Aber wie man an dem Baum in Mitte der
Treppe sehen kann, leben die Naxi wirklich ihren Respekt vor der Natur.
Wenn da ein Baum ist, dann baut man die Treppe eben drum herum.
Beim Abstieg in die Altstadt hat sich das Wetter schlagartig gebessert.
Fast blauer Himmel, ein wenig Sonnenschein und wieder mal keine Sicht
auf die Schneeberge. Aber immerhin besser als Regen.
Die alltäglichen Dinge wie Haare waschen in den Strassen oder
diverse Tierfelle zum Verkauf fallen uns schon gar nicht mehr auf.
Pferde? Die gibts überall und das Fleisch fürs Mittagessen
vor dem Laden zu zerteilen ist ja wohl absoluter Standart, oder? Ob wir
wohl schon zu lange in China sind?
Zu einem späten Mittagessen haben wir Gina im Hotel abgeholt, es
ging ihr schon wieder viel besser. Womöglich Dank der
rezeptfreien Medizin aus der Apotheke? Wir sind dann noch durch die
Altstadt geschlampert und haben einges eingekauft und uns vor dem Regen
in einem Kaffee versteckt. Wie ihr am rechten Rand vermuten könnt,
haben wir den einen oder anderen Lampenschirm (oder eher: Kerzenschirm)
gekauft.
Gina ist wieder gesund, das ist super. Die Fahrt zum Shangri La und der
Zwischenstop an der Tiger Sprung Schlucht gibt wieder Stoff für
eine andere
Geschichte...
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Lampenschirme...
...aus Papier sind der Esportschlager aus Yunnan. Da wollen
wir die Wirtschaft doch gleich mal ankurbeln...
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